
Blutstammzellspenderinnen und -spender erzählen
Der Kampf mit der Urinflasche
Ramon Erni und seine Frau standen kurz vor der Geburt ihres ersten Kindes. Zugleich absolvierte der 31-jährige Luzerner die Ausbildung zum Zivilschutzkommandanten. Während dieser schwierigen Zeit erreichte ihn dann auch noch die Anfrage, ob er für einen schwerkranken Patienten Blutstammzellen spenden würde. Im Interview spricht Ramon Erni über die Erfahrungen, die er vor, während und nach seiner Spende gemacht hat.
Wann erhielten Sie die telefonische Anfrage zur Spende?
Den ersten Anruf für eine potenzielle Spende erhielt ich am 21. März 2024. Vier Tage später fand das Gespräch statt, in dem ich meine Zusage bestätigte und am 6. Mai erfuhr ich, dass ich der «Top Match» wäre. Weil die Spende dringlich war, musste sie bis zum Ende des laufenden Monats erfolgt sein.
Welche Gedanken gingen Ihnen durch den Kopf, als Sie die Anfrage erhielten?
Als die Anfrage kam, wurde mir bald klar, dass ich spenden würde. Ich hatte mich registriert, also wollte ich die mir selbstauferlegte Pflicht auch erfüllen. Das war für mich selbstverständlich. Kurz ins Grübeln kam ich wegen des engen Fahrplans. Meine Frau und ich erwarteten Anfang Juni unser erstes Kind und da bestand das Risiko, dass die Geburt während der Phase der Wachstumsfaktoren-Injektionen oder sogar am Tag der Spende losgehen könnte. Auch war ich genau in dieser Zeit im Endspurt meiner Kommandantenausbildung beim Zivilschutz und so mussten wir einen guten Plan erarbeiten. Ist jetzt alles schön aufgegangen.
Wie fühlt es sich an, wenn man jemandem mit hoher Wahrscheinlichkeit das Leben retten kann? Macht Sie das auch ein wenig stolz?
Ich staune etwas, wie neutral ich das anschaue. Wie bei der Organspende, empfinde ich es für mich fast als eine Pflicht, sich zu registrieren und das zu machen. Natürlich verstehe ich Leute, die ihre Gründe haben, das anders zu handhaben. Aber wenn man jung und gesund ist, sollte es fast als eine Selbstverständlichkeit angesehen werden, das zu machen. Es erfüllt mich mehr mit Stolz, dass es solche Möglichkeiten gibt, Leben zu retten, bzw. zu verlängern. Dass ich einen Teil dazu habe beitragen dürfen, finde ich toll und ich sehe mich in diesem Prozess einfach als das passende Rädchen im Getriebe. Aber ohne die Kraft des betroffenen Menschen und die Organisation durch Blutspende SRK Schweiz und das Unispital Zürich würde mein kleines «Opfer» nicht sehr viel bringen.
Wie war für Sie die Vorbereitung auf die Spende? Lösten die Wachstumsfaktoren Nebenwirkungen bei Ihnen aus?
Da ich sowieso gerade mitten in einer schwierigen Lebensphase war, hatte ich während der Vorbereitungszeit wenig geplant. Die Nebenwirkungen der Wachstumsfaktoren waren weniger schlimm, als ich erwartet hatte. Ab dem zweiten Tag verspürte ich leichte Kopfschmerzen und einen Tag später auch noch Gliederschmerzen. Am Abend vor der Spende tat mir dann schon alles weh. Zum Glück reichte eine einzige Schmerztablette, um den Tag zu überstehen. Ich fühlte mich zwar einigermassen fit, aber nicht fit genug, um noch «grössere Sprünge» zu machen. 😊
Wie lief die Spende ab? Hatten Sie Schmerzen? Wie haben Sie sich beschäftigt?
Ich hatte leicht Kopfschmerzen, nahm aber keine Medikamente, weil ich möglichst «reine» Stammzellen spenden wollte. Das Pflegepersonal sagte mir schon, ich könne etwas nehmen, aber irgendwie wollte ich es «sauber» durchstehen. Ich hatte Laptop, Handy, iPad und ein Magazin dabei. Schliesslich habe ich ein bisschen Musik gehört, News gelesen, telefoniert, ein Werbevideo aufgenommen, gedöst und mich mit dem Pflegepersonal unterhalten. So verging die Zeit sehr schnell. Nach fünf Stunden war ich wieder draussen. Glücklicherweise war die Stammzellendichte im Blut sehr gut. An meine Grenze kam ich, als ich die Urinflasche benutzen musste. Ich stellte mich da so doof an – das hätte ein witziges Video gegeben.
Wie fühlten Sie sich nach der Spende?
Es ging mir wirklich super und ich war schon beinahe entspannt. Eigentlich war geplant gewesen, dass mich meine Mama im Spital abholt. Weil ich mich aber gut genug fühlte, reiste ich von Zürich nach Luzern mit dem ÖV. Zu Hause schlief ich eine Stunde lang und ging am Abend noch während drei Stunden in den Geburtsvorbereitungskurs. 😊 Einen Tag später fühlte ich mich wie früher.
Würden Sie wieder spenden?
Selbstverständlich. Jemandem mit ein paar Stunden Aufwand, etwas Kopfschmerzen und dem Kampf mit der Urinflasche helfen zu können, scheint mir ein fairer Deal.
Was möchten Sie den Personen sagen, die sich noch nicht sicher sind, ob sie sich fürs Blutstammzellspende-Register anmelden sollen?
Für die gesunde Person ist es ein überschaubar aufwendiger Schritt, für die kranke Person kann er möglicherweise lebensrettend sein. Das dünkt mich ein interessantes Kosten-Nutzen-Verhältnis.